Kriegsdarstellungen und Deutungen in frühneuzeitlichen Reiseberichten zum Osmanischen Reich

Die Eroberung Konstantinopels durch die Osmanen im Jahr 1453 besiegelte nicht nur das endgültige Ende des Byzantinischen Reiches, sie löste darüber hinaus auch im Westen einen mentalen Schock bei den geistigen Eliten Europas aus. Die darauffolgenden militärischen Auseinandersetzungen mit dem Osmanischen Reichin Form der „Türkenkriege“ in Südost-und Mitteleuropa begünstigte die Entstehung eines spezifischer Alteritätsdiskurses, der eine Bedrohung des gesamten „christlichen Abendlandes“ durch eine islamische Macht in Gestalt der „Türken“ postulierte und besser unter dem Forschungsbegriff der„Türkengefahr“ bekannt ist. Über zwei Jahrhunderte prägte die „Türkengefahr“ den religiösen und politischen Diskurs in Europa, nachhaltig. Der aufkommende Buchdruck ermöglichte die massenhafte Vervielfältigung sogenannter „Türkendrucke“ in denen „Türkengräuel“ und „Türkenspott“ bildhaft dargestellt wurden. Ein etwas differenzierteres Bild zeichneten dagegen Autoren, die selbst ins Osmanische Reich reisten und ihre Beobachtungen in Reiseberichten für die Nachwelt festhielten. Das Promotionsprojekt hat sich zum Ziel gesetzt die Kriegsdarstellungen und Deutungen in Reiseberichten zum Osmanischen Reich eingehend zu untersuchen. Aus Sicht des Forschungsschwerpunktes des Graduiertenkollegs2304 sind diese Reiseberichte gleich aus zweifacher Hinsicht von besonderem Interesse. Zum einen stoßen die Autoren während ihrer Reise häufig auf antike Hinterlassenschaften, sowie auf christlich-orthodoxe Bevölkerungsteile was sie immer wieder auf das untergegangene Byzanz Bezug nehmen lässt. Zum anderen widmeten die Autoren in ihren Berichten dem osmanischen Staatswesen und insbesondere dem Militärwesen sowie demThema Krieg im allgemeinen große Aufmerksamkeit. Reiseberichte lassen sich somit als Quellen für Ausdrucksformen von (Kriegs-)Kultur, aber auch als Quellen von europäischer Deutungskonzepten lesen. Im Sinne des linguistic turns soll untersucht werden, wie „Krieg“ in diesen Reiseberichten thematisiert wird. Angefangen bei der Darstellung von Kriegswesen, Kriegsverläufen und Kriegsauswirkungen, über damit verbundene Legitimierung von Krieg und konkrete Handlungsweisen, bis hin zur religiösen Deutung der Türkenkriege. Ein besonderes Augenmerk des Forschungsprojektes soll dabei auf dem Diskurswandel der „Türkengefahr“ des 16. Jahrhunderts bis hin zum „Türkentriumpf“ zu Beginn des 18. Jahrhunderts liegen. Herangezogen werden Berichte von Reisenden, die Konstantinopel auf dem Landweg über die Balkanhalbinsel erreichten, was vor allem auf Autoren aus Zentraleuropa zutrifft. Diese sollen möglichst divers in nationaler, konfessioneller und biographischer Prägung sein, um so verschiedene Perspektiven liefern zu können. Ein Großteil der Reiseberichtestammt von Autoren aus dem Reich. Zum Vergleich sollen auch Reiseberichte von „reichsfernen“Autoren(etwaniederländische oder englische)exemplarisch untersucht werden.Bei derAnalysevon lediglich europäischen Quellenistes besonders wichtig die Ergebnisseder Orientalismus-Debattezu berücksichtigen.Daher sollen die Quellenbefunde im breiteren Kontext der „Türkengefahr“diskursanalytisch eingeordnet werden. Vorangegangene Forschungsarbeiten haben gezeigt, dass dieses Vorgehen für Genese der Türkengefahr im 15. Jahrhundert und ihrer Wirkung bis zur Mitte des 16. Jahrhunderts durchaus fruchtbar ist. Für das späte 16. sowie das17. Jahrhundert, fehlen solche Forschungsansätze weitestgehend.

Betreuung:

Prof. Dr. Hans-Christian Maner

Prof. Dr. Irene Dingel

Förderung:

DFG (GRK 2304)


Mitarbeit

Simon Mallas M.A.