Aushandlungen byzantinischer Theologie und religiöser Differenz in den Grenzgebieten des Russischen Reichs: Interkulturelle Kontakte zwischen der Russisch-Orthodoxen Kirche und den orientalischen Christentümern im langen 19. Jahrhundert

Das kaiserliche Russland sah sich in der Nachfolge des Byzantinischen Reiches nicht nur im politischen, sondern auch im religiösen Sinne. Dieser Selbstwahrnehmung entsprechend hatte die russisch-orthodoxe Kirche den Anspruch, das byzantinische theologische Erbe zu hüten und weiterzuführen. Im Zuge der russischen Expansion im Kaukasus, die sich im 19. Jahrhundert schrittweise vollzog, wurde diese Selbstwahrnehmung jedoch auf den Prüfstand gestellt.

Der erstmalige dauerhafte Kontakt mit den dort ansässigen orientalischen Kirchen sowie die daraus resultierenden Bestrebungen, eine Kircheneinigung mit ihnen zu erzielen, führte zu einer Anpassung – und zum Teil auch einer Neuauswertung – der in Byzanz gefassten normativen konziliaren Beschlüsse, die diese Christentumsformationen als häretisch („nestorianisch“ und „monophysitisch“) gebrandmarkt hatten.

Das Projekt befasst sich mit Wirkungen und Effekten von Rezeptionsprozessen der byzantinischen Theologie im Kontext der Aushandlungen religiöser Differenz zwischen der russisch-orthodoxen Kirche und den orientalischen Christentümern. Im Mittelpunkt steht hierbei das Fallbeispiel der Interaktion von ostsyrischen Christen (den sogenannten „Nestorianern“) und russisch-orthodoxen Missionaren im russisch-iranisch-osmanischen Grenzgebiet.

Publikationen

  • Stanislau Paulau, Visions of Resettlement and Contested Belongings. Letters of Pavel Cicianov to Mar Shemʿon XVI Yoḥannan and Mar Yoḥannan of Urmia in the Context of Early Contacts between East Syriac Christianity and Imperial Russia, in: Martin Tamcke / Egbert Schlarb (Hg.), Überleben, Pilgern, Begegnen im orientalischen Christentum. Festschrift für Wolfgang Hage zum 85. Geburtstag (= Göttinger Orientforschungen I. Reihe: Syriaca Bd. 60), Wiesbaden 2020, 201–210.