Die iberische Halbinsel zwischen Toletum und Konstantinopel. Hybride Konstellationen religiösen Wissens

Im 6. und 7. Jahrhundert weist die iberische Halbinsel eine vielschichtige Bevölkerung auf. Zahlreiche textuelle und archäologische Quellen belegen, dass trotz militärischer und diplomatischer Spannungen ein intensiver kultureller Austausch zwischen dem westgotischen Königreich und der byzantinischen Provinz Spania stattfindet. Durch die geographische Nähe entsteht eine interkulturelle Kontaktzone mit romanischen Einwohnern unterschiedlichen Glaubens, westgotischen Immigranten und oströmischen "Besatzern". Diese fruchtbaren wechselseitigen Beziehungen führen zur Formierung hybrider Konzepte, etwa in den Aushandlungsprozessen religiösen Wissens, die hier genauer untersucht werden sollen. Dabei liegt ein besonderer Fokus auf sogenannten nestorianischen Strömungen, die beispielsweise durch die Übersetzung und Rezeption der Schriften Theodors von Mopsuestia zu fassen sind.

 

Das Projekt soll exemplarisch zwei Diskursorte religiösen Wissens beleuchten:

  • Liturgien, die durch ihre Texte und in ihren Vollzügen komplexe Theologumena transportieren und performativ die Glaubenswirklichkeit der feiernden Gemeinden konstituieren. Aufschlussreich sind in erster Linie Gebete und Hymnen, die in der westgotischen, mozarabischen Liturgie Verwendung finden.
  • Dogmatische Diskussionen, die sich besonders in Konzilsakten und überlieferten Briefcorpora lokaler (religiöser) Eliten niederschlagen. Von der Relevanz der Debatte um die menschliche Natur Christi zeugen neben den einschlägigen Konzilien von Toledo vor allem Briefe, wie etwa Papstschreiben oder die sogenannte Epistula de una Christi veri Dei et hominis persona contra recens damnatum haeresium Nestorii. Dass „nestorianische“ Lehren mindestens bis ins frühe 9. Jahrhundert rezipiert worden sind, zeigt sich auch an dem „spanischen Adoptianismus“, den im Westen besonders Alkuin angriff.

 

Die Analyse solcher Formierungen von Wissen verspricht ein vertieftes Verständnis der Transfer- und Adaptionsprozesse im vielfältigen Kontakt zwischen dem byzantinischen Reich und seinen euromediterranen Nachbarn.