Gegen und mit Byzanz: Waräger und Slaven als Bedrohung von Byzanz in der Rezeption der russischen Text- und Bildkultur des 18. und 19. Jhs.

Oleg von Novgorod, welcher auf der Abbildung zu sehen ist, war laut der Chronik "Povest' vremennych let" der warägische Regent für Igor (Sohn des verstorbenen Rjurik) und soll im Jahr 907 eine Heerfahrt nach Konstantinopel unternommen haben. Im Zuge dieser Unternehmung wurde ein Handelsvertrag geschlossen, der u.a. die Kiewer Fürsten dazu verpflichtete, die byzantinischen Besitzungen am Nordrand des Schwarzen Meeres zu schützen. In der russischen Geschichtsschreibung, Literatur und Kunst entwickelte sich hieraus ein Gründungsmythos der warägisch-ostslavischen Beziehungen mit Byzanz, deren Rezeption Thema dieses Dissertationsvorhabens ist.

Es wird dabei der Frage nachgegangen, warum und auf welche Weise die kriegerischen Auseinandersetzungen der warägisch-ostslavischen Kriegergesellschaften mit Byzanz vom 9. bis 12. Jahrhundert in der Text- und Bildkultur des 18. und 19. Jahrhundert dargestellt wurden. Welche Eigenschaften wurden diesen Kriegergesellschaften zugeschrieben? Werden sie als das Eigene oder das Fremde wahrgenommen? Zur Beantwortung dieser Fragen werden Quellen der russischen Historiographie, Literatur und Historienmalerei zu Rate gezogen.

Um sich der Thematik nähern zu können, wird nicht nur der Entwicklungen der warägisch-ostslavischen Beziehungen mit Byzanz vom 9. bis zum 12. Jahrhundert bedacht, sondern auch der historische Kontext des 18. und 19. Jahrhunderts in Russland beleuchtet. Das 18. Jahrhundert bietet sich als Anfangspunkt der Untersuchungen an aufgrund der Professionalisierung in der russischen Geschichtsschreibung, welche durch die Gründung der Kaiserlichen Russischen Akademie der Wissenschaften in St. Petersburg im Jahre 1725 erfolgte. In jener Zeitphase wurde die Frage nach der Ethnogenese Russlands durch die aufkommende Auseinandersetzung von "Normannismus" und "Antinormannismus" anhand der "Povest' vremennych let" (auch "Nestorchronik") aktuell und wurde vor allem zum Schlüsselnarrativ der russischen Geschichtsschreibung, aber auch der Literatur und Historienmalerei.

Die Auseinandersetzung mit der Darstellung der warägisch-ostslavischen Kriegergesellschaften in der Text- und Bildkultur im 18. und 19. Jahrhundert blieb bis heute in der Forschung ein Desiderat. Dabei sind der historische Kontakt verschiedener Kulturen, die Frage der eigenen Identität und das Thema der Rezeptions- und Erinnerungskultur wichtige Forschungsbereiche, die von der Beschäftigung mit dem Untersuchungsgegenstand profitieren könnten.

 

Betreuung:

Univ.-Prof. Dr. Jan Kusber

Univ.-Prof. Dr. Johannes Pahlitzsch

Unterstützung

DFG (GRK 2304)