(K)eine Sprache des Friedens? – Eine Untersuchung zur Semantik bei Tertullian

Non conuenit sacramento diuino et humano, signo Christi et signo diaboli, castris lucis et castris tenebrarum; non potest una anima duobus deberi, deo et Caesari. (Tert. idol. 19)

Bereits in einigen der frühesten christlichen Zeugnisse, den Apostelbriefen sowie der Apostelgeschichte, spielt die Frage, inwiefern christlichen Forderungen wie Feindesliebe und Gewaltverzicht in den konkreten historischen Umständen für den einzelnen Menschen umsetzbar sind, eine nicht unwesentliche Rolle. Das Auftreten von christlichen Soldaten im römischen Heer, welches spätestens Ende des 2. Jh. n. Chr. nachgewiesen werden kann, dürfte dieser Frage erneute Brisanz verliehen haben.
Eine klare Position vertritt in dieser Hinsicht der eingangs zitierte frühe Kirchenschriftsteller Tertullian, der von einer Unvereinbarkeit des Dienstes im „Lager des Lichts“ (castra lucis) und im „Lager der Schatten“ (castra tenebrabrum) spricht. Im Gegensatz zu seinem etwa zwei Jahrhunderte später wirkenden Glaubensgenossen Augustinus von Hippo kann Tertullian eine solch strikte Abgrenzung des christlichen Glaubensdienstes vom säkularen Kriegsdienst (zumindest vordergründig) noch vertreten. Während Augustinus aufgrund der zunehmend staatstragenden Funktion des Christentums im Zuge des 4. Jahrhunderts einen Weg finden musste, die christlich-religiöse Glaubenstheorie mit der realen Notwendigkeit der Kriegsführung in Einklang zu bringen, waren die Umstände zur Schaffenszeit Tertullians noch völlig andere: Als es der juristisch und rhetorisch geschulte Tertullian gegen Ende des zweiten nachchristlichen Jahrhunderts auf sich nahm, das vormals v.a. griechisch kodierte christliche Gedankengut auf das lateinische Sprachsystem zu übertragen und somit wahrscheinlich die wichtigste Grundlage des sich in der Folgezeit entwickelnden Kirchenlateins lieferte, war für ihn noch in keinster Weise absehbar, dass das Christentum in den nächsten Jahrhunderten in eine Position kommen sollte, in der es die kriegerischen Taten sowie die damit verbundenen Gewaltakte des Römischen Reiches im Sinne des später von Augustinus entwickelten Konzeptes des bellum iustum plausibilisieren musste.
Doch inwiefern spiegeln sich diese historischen Bedingungen in der von Tertullian erst zu entwickelnden, christlich geprägten lateinischen Sprache wider? Inwieweit wird die von ihm im Eingangszitat inhaltlich geforderte Trennung von christlichem Dienst und (mit Gewalt verbundenem) Kriegsdienst auch semantisch umgesetzt? Kann man von einer „Sprache des Friedens“ reden? Oder wird die auch im Neuen Testament schon durchaus in Ansätzen vorhandene Gewaltbereitschaft aufgegriffen?
Diesen Fragen will die geplante Arbeit mittels einer detaillierten Untersuchung der Semantik und Metaphorik nachgehen. Obgleich das Œuvre Tertullians dabei im Fokus stehen soll, ist eine angemessene Einordnung nur durch einen Vergleich mit früheren sowie zeitgenössischen Autoren und unter der Berücksichtigung der geistes- und kulturgeschichtlichen Umstände zur Zeit des frühchristlichen Kirchenschriftstellers möglich.
Einen ersten sinnvollen Ansatzpunkt hierbei kann der bei Tertullian, aber auch bei verschiedenen anderen frühchristlichen, mittelalterlichen sowie neuzeitlichen Autoren auftauchende Topos des miles Christi darstellen, in dessen Zentrum die Übertragung einer teilweise sehr detailreich ausgestalteten Kriegsmetaphorik auf den Bereich „Gottesdienst“ steht. Welche Ausgestaltung erfährt dieser Topos bei Tertullian? Inwiefern wird der miles Christi als Urheber oder als Opfer von Gewalt gezeichnet? Ist die Metapher in dieser ersten lateinischen Ausgestaltung in eine aggressive Art des Sprechens eingebunden? Kurz: Gibt es ein anderes Sprechen über Soldaten für Christus und Soldaten für die säkulare Gemeinschaft?

 

Betreuung:

Univ.-Prof. Dr. Marietta Horster

Univ.-Prof. Dr. Heike Grieser

Unterstützung

DFG (GRK 2304)