Ost-West Kontakte im Kirchenraum: Kirchenmalereien Kretas in der Zeit der venezianischen Herrschaft

Während der venezianischen Herrschaft, die mit der Concessio Cretae im Jahre 1211 begann und durch die Eroberung der letzten Bastion Kretas durch die Osmanen 1669 beendet wurde, entstanden auf der Insel zahlreiche kleine Kirchenbauten, die von einem scheinbar ungebrochenen griechischen, orthodoxen Lebensstil der Bewohner zeugen. Zahlreiche Dokumente belegen die Ansiedlung von Venezianern auf der Insel und sind gleichzeitig Indizien, dass ab dem 13. Jahrhundert ein Aufeinandertreffen der orthodoxen, griechisch sprechenden und der katholischen, lateinisch sprechenden Bevölkerung unumgänglich war. Deren Reaktionen fielen stets unterschiedlich aus. So bestand, wie zahlreiche Aufstände des 13. bis 15. Jahrhunderts belegen, stets der Wunsch der Einheimischen, wieder in das Byzantinische Reich eingegliedert zu werden. Venedig hingegen schien ihrer eigenen Kolonie nicht ganz wohlgesinnt gegenüberzustehen. In der Titus-Revolte von 1363/6 schlossen sich sogar Adelsfamilien der venezianischen und kretischen Bevölkerung zusammen, um gemeinsam gegen Venedig zu klagen. So wurde in der Forschung die Kultur Kretas bisher stets unter verschiedenen Gesichtspunkten bewertet. Neben dem Augenmerk auf den Differenzen untereinander, bis hin zur Assimilation der Venezianer von der ursprünglichen Bevölkerung, ist auch ein Mittelweg, ein nahezu harmonisches Nebeneinander- und Miteinanderleben zweier ethnischer Gruppen denkbar. Eine sorgfältige Untersuchung der Text- und Bildquellen steht jedoch noch aus.

Während für den katholischen Gottesdienst kaum Kirchenräume belegt sind, zeugen die im Hinblick auf die Ikonographie und Bildprogramm typisch byzantinisch ausgestatteten Räume, bei denen es sich meist nur um kleine Einraumkapellen handelt, von herausragender orthodoxer Religiosität. Diese können als identitätsstiftender „Rückzugsort“ der griechischen Bevölkerung unter der religionsfeindlichen Politik der venezianischen Herrschaft aufgefasst werden.

Im 13. Jahrhundert tauchen in der Malerei auf Kreta Elemente auf, die nicht dem traditionellen byzantinischen Bildprogramm entsprungen sind. Diese sog. westlichen Einflüsse, meist sekundäre ikonographische Ergänzungen, welche jedoch mit der orthodoxen Lehre konform waren, belegen, zusammen mit den durch Quellen bekannten übergesiedelten venezianischen Malern, auch auf künstlerischer Ebene einen gewissen kulturellen Austausch. Im Westen Kretas, der Präfektur Chania, finden sich zahlreiche Kirchenausstattungen, die vor allem aufgrund ihrer stilistischen Unterschiede verschiedenen Malern oder Werkstätten zugeordnet werden können. Es stellt sich nun die Frage, wie eine solche Zusammenarbeit zwischen griechischen und lateinischen Künstlern vonstattenging. Wurde der Kirchenraum auf den Wunsch des Stifters in dieser Art ausgestattet oder kann sogar vermutet werden, dass diese Räume für den Gottesdienst beider Konfessionen genutzt wurden? Arbeiteten die Maler parallel an einem Gesamtkonzept, obwohl eine auffällige räumliche Trennung der Malerei zu beobachten ist? Finden sich so Belege für ein harmonisches Zusammenleben der griechischen und venezianischen Bevölkerung? Die Untersuchung ebensolcher heterogener Kirchenmalereien stellt so eine weitere Möglichkeit zur Erfassung des kulturellen Austauschs auf religiöser und künstlerischer Ebene auf der Insel Kreta im 14. Jahrhundert dar.



Betreuung der Dissertation: Prof. Dr. Vasiliki Tsamakda (Johannes Gutenberg-Universität Mainz)

 

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