Untersuchungen zur Rezeption byzantinischer Herrscherpersönlichkeiten und kriegerischer Auseinandersetzungen im italienischen Musiktheater der Frühen Neuzeit (1650–1750) am Beispiel Konstantins des Großen

Das vorliegende Dissertationsprojekt versteht sich als Beitrag zur Untersuchung der Byzanz-Rezeption in der Frühen Neuzeit und geht konkret der Frage nach der Verarbeitung von Sujets aus der byzantinischen Geschichte im italienischsprachigen Musiktheater nach. Auf Grundlage ausgewählter Libretti aus der zweiten Hälfte des 17. und ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts wird eine werkübergreifende Analyse zur Bestimmung der musikalisch-dramaturgischen Umsetzung kriegsbezogener Thematiken und deren politisch-gesellschaftlicher Einordnung durchgeführt. Dabei bildet Venedig den Ausgangspunkt.

Der theoretische und methodische Ansatz knüpft an aktuelle Diskussionen zur Konzeption von Feindbildern und Identitätskonstruktionen an. Hierfür werden Ansätze aus der Historischen Stereotypenforschung und der Opernforschung zusammengeführt. Der Werkkontext soll auf metaphorische Dopplungen von Handlungsthemen und -motiven mit dem aktuellen Tagesgeschehen überprüft werden. Dabei verbleibt die Untersuchung nicht bei der Feststellung einfacher inhaltlicher Parallelen zwischen Werkinhalt und aktuellem Tagesgeschehen. Vielmehr wird der Blick verstärkt auf die Funktionalisierung dieser Deutungskonzepte im Zusammenhang mit eigenen Identitätskonstruktionen gelenkt. Die übergeordnete Fragestellung widmet sich dementsprechend der Rezeption historischer Stoffe und Konstellationen für Deutungskonzepte zu gegenwärtigen Konflikten. Eng damit verbunden ist die Untersuchung des werkimmanent transportierten Byzanz-Bildes. Hierbei spielen Aspekte wie eine mögliche Antikisierung, Mythologisierung und Verwestlichung der Handlung und des Schauplatzes eine zentrale Rolle.

Um Anhaltspunkte für das damalige Geschichtsverständnis und die Gewichtung der verschiedenen Thematiken gewinnen zu können, erfolgt eine Sondierung zeitgenössischer historiographischer Werke im italienischen Raum. Ganz grundlegend muss nach der jeweiligen politischen Verfasstheit der Opernzentren unterschieden werden. So sind in öffentlichen Opernhäusern mehr Bezüge auf das politische Tagesgeschehen zu erwarten, wohingegen an höfisch geprägten Theatern in der Regel eher affirmative Aspekte im Vordergrund stehen. Ein repertoiregeschichtlicher Überblick der Spielstätten der untersuchten musikalischen Zentren kann eine bessere Vorstellung davon vermitteln, ob es sich bei Sujets aus der byzantinischen Geschichte (mit Bezügen u.a. auf Theodosius I. und II., Justin I., Theodora I., Belisar, Konstantin VI. und Basileios I.) um eine Besonderheit handelte und an welcher Stelle sich diesbezüglich die Etablierung bestimmter Stofftraditionen ausmachen lässt.

Auf der Werkebene wird die Frage verfolgt, welche musikalischen Mittel zur Zeichnung der Figuren in unterschiedlichen Situationen eingesetzt werden und inwiefern dabei die Thematisierung von Konflikt, Krieg, Kampf etc. zur Etablierung bzw. Transformierung musikalischer Topoi genutzt wird. Ausgehend von der inhaltlich-thematischen Untersuchung des jeweils transportierten Byzanz-Bildes folgt die Analyse ausgewählter musikalischer Parameter. Zudem sind Aspekte wie der Umgang mit Unterlegenen, gruppendynamische Prozesse sowie das Auftreten repräsentativer Symbole zur Machtdemonstration relevant.

 

Betreuung:

Univ.-Prof. Dr. Klaus Pietschmann

Univ.-Prof. Dr. Jan Kusber

Prof. Dr. Ursula Kramer