Befestigte Höhenlagen in der Dioecesis Daciae (4.-7.Jh.)

Im 6. Jahrhundert n. Chr. veränderte sich das Siedlungsmuster in der spätrömischen Verwaltungseinheit Dioecesis Daciae grundlegend. Statt der zuvor bevorzugten Talpositionen, etablierten sich nun Befestigungen auf Höhen von bis zu 1800 m. Zuvor genutzte wie auch neu besetzte Berge und Hügel wurden von Mauern und Türmen umgeben, häufig wurde mindestens eine Kirche an zentraler Position innerhalb der Anlagen errichtet.

Die archäologische Forschung interpretiert die Verlagerung in die Höhe vor allem als Schutzreaktion auf die zunehmenden Invasionen diverser Barbarengruppen wie Awaren und Slawen, welche die oströmischen Provinzen bedrohten. Demnach habe ein „Rückzug auf die Höhe“ im Hinterland des Donaulimes stattgefunden. Dabei wird auf Prokops Schilderungen der Bautätigkeiten unter Kaiser Justinian I. (527–565) verwiesen, der ein Netz von Festungen zur Verteidigung des oströmischen Territoriums errichten ließ. Die Datierung der Anlagen sowie die Gründe für die Höhennutzung gelten als gesichert. Die archäologische und historische Forschung konzentriert sich vielmehr auf die Interpretation der Anlagen: dienten sie als temporäre Zufluchtsorte (Refugien), als militärische Stützpunkte oder als befestigte Siedlungen der lokalen Bevölkerung? Wurden sie vom Staat errichtet oder geschah dies auf Eigeninitiative der Bevölkerung?

Die Frage nach den Gründen für die Nutzung von Höhenlagen scheint jedoch komplexer, insbesondere wenn die offensichtlichen Herausforderungen solcher Standorte in Betracht gezogen werden: erschwerte Zugänglichkeit, schlechte Bodenbeschaffenheit für Landnutzung, problematische Wasserversorgung und die Gefahr durch Erosion. Dies führt zu einer zentralen Fragestellung: Warum wurden die Höhenlagen trotz ihrer Herausforderungen gezielt genutzt, und welche vielseitigen Funktionen erfüllten diese Anlagen?

in überregionaler und diachroner Vergleich mit anderen Höhenlagen zeigt, wie komplex die Prozesse gewesen sein könnten. In der Höhensiedlungsforschung werden viele verschiedene Gründe aufgeführt, die zu einer Höhennutzung geführt haben können. Diese sind: wirtschaftliche Gründe (Transhumanz, Bergbau), religiöse Motivation, Machtdemonstration, Flucht bzw. Schutz vor Bedrohungen, militärische Gründe und klimatische Bedingungen. Dabei können Höhenlagen, die mehrfach aufgesucht wurden, auch einen Funktionswechsel durchlaufen haben.

Für die etwa 300 bekannten Anlagen im Untersuchungsraum kann keine allgemeingültige Antwort gegeben werden. Bei näherer Betrachtung zeigt sich, dass einige Anlagen bereits seit dem 4. Jahrhundert existiert haben und im 6. Jahrhundert lediglich ausgebaut wurden, während andere nur im 6. und frühen 7. Jahrhundert bestanden. Die Anlagen unterscheiden sich deutlich und scheinen auf den ersten Blick aus den unterschiedlichsten Gründen errichtet worden zu sein. Der Wechsel vom Tal zur Anhöhe während der Spätantike kann demnach nur vor dem Hintergrund der Transformation der römischen Welt erforscht und erklärt werden. Je nach ihrem politischen Umfeld und ihrem Befund- sowie Fundspektrum können Höhenanlagen unterschiedliche Funktionen erfüllt haben, ob als kurzfristig besiedeltes Refugium, als Fluchtburg bzw. als Militärstation oder als dauerhaft angelegte Siedlung, als sakrales Zentrum bzw. regionaler und/oder überregionaler Herrschaftssitz.

Ziel des Dissertationsprojekts ist es, das Phänomen der Höhenbefestigungen im 6. Jahrhundert in der Dioecesis Daciae differenziert zu betrachten und die Diskussion über eine rein defensive Interpretation hinaus zu erweitern. Der Schwerpunkt liegt auf einer vergleichenden Analyse ausgewählter Höhenanlagen, um Unterschiede und Gemeinsamkeiten in Architektur, strategischer Position und Funktion herauszuarbeiten.

Dabei wird aufgezeigt, dass Höhenbefestigungen nicht nur eine Schutzfunktion erfüllten, denn die Nutzung von Höhenlagen im 6. Jahrhundert ist auf ein komplexes Zusammenspiel aus politischen, wirtschaftlichen, sozialen und religiösen Faktoren zurückzuführen. Die befestigten Höhenlagen der Dioecesis Daciae sollen dabei als Ausdruck der Transformation des spätrömischen Reiches verstanden werden, in dem sich Strategien, Strukturen und soziale Beziehungen angesichts innerer und äußerer Herausforderungen neu formierten. Damit möchte die Arbeit zu einem besseren Verständnis der spätantiken Siedlungslandschaft auf dem Balkan beitragen und zugleich die Vielseitigkeit und Anpassungsfähigkeit menschlicher Siedlungsmuster in Krisenzeiten verdeutlichen.

Betreuung:
Prof. Dr. Ute Verstegen
Prof. Dr. Dieter Quast

Support

DFG (GRK 2304)