Der illustrierte Alexanderroman in Byzanz und dessen Rezeption im Westen und Orient vom 13. bis ins 15. Jahrhundert
Ziel des vorliegenden Dissertationsprojektes ist der Versuch die Illustrierung des archetypischen Alexanderromans mithilfe von erhaltenen illustrierten, byzantinischen und nicht-byzantinischen Handschriften zu rekonstruieren. Dabei soll das Alexanderbild in Byzanz untersucht werden, mit dem Ziel, die Rolle der byzantinischen Alexanderrezeption in anderen, nicht-byzantinischen Kulturkreisen zu beleuchten und so den Kulturtransfer zwischen Byzanz und den westlichen und östlichen Kulturen zu erfassen.
Aus dem Archetypus des Alexanderromans, einem antiken Epos des griechischen Autors Pseudo-Kallisthenes (3. Jh.) über das Leben und die Taten Alexanders des Großen, haben sich Text und Bildzyklus nicht erhalten. Während der originale Textinhalt mithilfe der verschiedenen Textversionen weitestgehend durch die Forschung rekonstruiert werden konnte, bleibt die Illustrierung des Archetypus verloren. Erst seit dem 13. Jh. sind die ältesten illustrierten Handschriften der Alexandergeschichte fassbar, deren Produktion in verschiedenen Kulturkreisen bis ins 19. Jh. stetig anstieg. Die zunehmende Herstellung von Handschriften des Alexanderromans bestätigt die grenzüberschreitende Faszination für die Alexanderfigur in Byzanz, im Westen und im Orient, besonders im imperialen Bereich. Viele illustrierte Handschriften, deren Texte im Kern auf dem pseudo-kallisthenischen Epos basieren, bezeugen durch ihre detailtreue, kostbar ausgeführte Illustrierung der Alexandergeschichte eine imperiale, aristokratische Auftraggeberschaft.
In der enkomiastischen und panegyrischen Literatur diente die Alexanderfigur bereits ab der mittelbyzantinischen Zeit als positives Kaiserparadigma. Alexander der Große verkörperte darin den idealen Herrschaftstypus, der zum Vorbild für den byzantinischen Kaiser sowie für weitere, nicht-byzantinische Herrscherdynastien des jeweiligen Kulturkreises zwischen dem 13. und 15. Jh. wurde. Dementsprechend wurden die illustrierten Bildzyklen in Handschriften des Alexanderromans für propagandistische Zwecke und als Legitimation des Machtanspruchs jedes einzelnen Kulturkreises benutzt.
Der Versuch, den heute verlorenen Bildzyklus des ursprünglichen Alexanderromans nachzuzeichnen, stützt sich methodisch auf die kunsthistorische Analyse. Grundlage für die Rekonstruktion der Illustrierung bilden die Bildzyklen der byzantinischen Handschriften, die mit verschiedenen, nicht-byzantinischen Bildredaktionen in Vergleich gesetzt werden, zu denen lateinische, armenische, persische und osmanische illustrierte Handschriften gehören. Erweitert wird die Analyse durch die Bearbeitung des Text-Bild-Verhältnisses verschiedener Handschriftenkopien. Ziel der kunsthistorischen Untersuchung ist die Beantwortung der Frage, ob es trotz unterschiedlicher Textversionen eine gemeinsame Bildtradition gab. Folglich soll der Vergleich von erhaltenen byzantinischen und nicht-byzantinischen Miniaturen des Alexanderromans mit Darstellungen aus anderen Kunstgattungen gezogen werden, um sich dem ursprünglichen, antiken Bildzyklus annähern zu können.
Darüber hinaus sollen im zweiten Teil der Arbeit andere byzantinische Texte neben dem Alexanderroman beleuchtet werden, um zu klären, welche Umstände zum einen das positive Alexanderparadigma in Byzanz begünstigten und zum anderen, ob neben dem positiven Alexanderbild in Byzanz womöglich auch ein Negatives bestand. Folglich ist zu fragen, inwiefern ein heidnischer König zum Ideal für den christlichen, byzantinischen Kaiser werden konnte. Zuletzt wird geprüft, welche Rolle Byzanz in der Alexanderrezeption für andere Kulturkreise spielte und wie das Alexanderbild in anderen Kulturen rezipiert wurde. Dabei sollen die transkulturellen Prozesse in jeder zu untersuchenden Handschriftenkopie des Alexanderromans überprüft werden, um gleichzeitig den Kulturtransfer zwischen dem byzantinischen Kulturkreis und den westlichen und östlichen Kulturen vom 13. bis zum 15. Jh. erfassen zu können.