Die fränkische Kirche als Kontaktraum: Wahrnehmung und Wissen von Byzanz im Spiegel der Hagiographie

Fremdes kann stets zwei sehr unterschiedliche Reaktionen auslösen, gelegentlich sogar zugleich: Faszination auf der einen, Unverständnis, Ablehnung oder gar Angst auf der anderen Seite. Dabei ist es zunächst einmal unerheblich, ob die dem Fremden zugeschriebenen Eigenschaften den Tatsachen entsprechen oder ob es sich lediglich um eigene Vorstellungen handelt, die auf das Fremde projeziert werden. Das Postdoc-Projekt beschäftigt sich mit der fränkischen Außenperspektive auf Byzanz. Fränkische Reiche christlicher Prägung existierten über einen erstaunlich langen Zeitraum, nämlich von der Taufe Chlodwigs (vermutlich) kurz vor 500 bis etwa um die Mitte des 11. Jh. Im Rahmen des Projekts soll der Schlusspunkt aber mit dem Erlöschen der Karolinger im Mannesstamm 911 (im Osten) bzw. 987 (im Westen) gesetzt werden.

Die zahlenmäßig größte, aber bis heute oft vernachlässigte Quellengattung des Mittelalters stellen hagiographische Texte dar. Stellt man sich die Frage nach Wahrnehmung und Wissen von Byzanz im Frankenreich und insbesondere in der fränkischen Kirche, so empfiehlt es sich daher, der Hagiographie besondere Beachtung zu schenken. Dies bedeutet freilich nicht, andere Texte von den Betrachtungen auszuschließen, denn oft genug hat derselbe Autor sowohl historiographische als auch hagiographische Werke verfasst. Zudem tragen in der Praxis auch historiographische Werke durch ihren heilsgeschichtlichen Charakter Züge der Hagiographie, während hagiographische Schriften durchaus auch historische Zusammenhänge vermitteln.

Angesichts der chronologischen Tiefe ist kaum anzunehmen, dass sich ein auch nur annähernd einheitliches Bild ergeben wird. Es empfiehlt sich deshalb, die für das Projekt relevanten Quellen anhand des politischen Kontexts zu bündeln. Hierbei dürfte eine Dreiteilung sinnvoll sein: 1. Quellen aus der Merowingerzeit, 2. Quellen aus der Königszeit der Karolinger, 3. Quellen nach der Kaiserkrönung Karls d. Gr. Entlang dieser Strukturierung soll nach Entwicklungen und Kontinuitäten im Bild gefragt werden, das man sich im Frankenreich von Byzanz machte.

Dieses Projekt ist angegliedert an den Arbeitsbereich Mittelalterliche Geschichte des Historischen Seminars der Johannes Gutenberg-Universität Mainz.

Förderung

Leibniz-WissenschaftsCampus Mainz

Unterstützung

Leibniz-WissenschaftsCampus Mainz

Publikationen

  • L. Körntgen, Bonifatius, Bayern und das fränkische Kirchenrecht. Zur Überlieferung des Capitulare Papst Gregors II. für Bayern (716), in: G.Blennemann / Ch. Kleinjung / Th. Kohl (Hrsg.), Konstanz und Wandel. Religiöse Lebensformen im europäischen Mittelalter (Affalterbach 2016) 33–56.
  • L. Körntgen, Poenitentiale Theodori, in: A. Cordes / H.-P. Haferkamp / H. Lück / D. Werkmüller / Ch. Bertelsmeier-Kierst (Hrsg.), Handwörterbuch zur deutschen Rechtsgeschichte. 2., völlig überarbeitete und erweiterte Auflage. 27. Lieferung, Personalkredit, Realkredit – Precaria (Berlin 2018) 634-636.