Konstantinopel und Mitteleuropa im 16. Jahrhundert

Das Hauptziel des Projekts ist es, die Architektur und Topographie des byzantinischen Konstantinopels, wie sie in den Werken von Besuchern und Gelehrten des 16. Jahrhunderts aus dem deutschsprachigen Raum aufgezeichnet wurden, zu untersuchen. Und das zu einer Zeit, in der die Stadt Hauptstadt des Osmanischen Reiches war und sich ihr byzantinisches Erbe in einem Wandlungsprozess befand bzw. Gefahr lief in Vergessenheit zu geraten.

Das Forschungsprojekt befasst sich mit der Untersuchung von Texten deutscher Istanbul-Besucher aus dem 16. Jahrhundert (beispielsweise Gerlach, Leonclavius und Schweigger) unter Bezugnahme zeitgenössischer, griechischer Texte (Chroniken, Archiv des Patriarchats und Werke von Gelehrten wie den Malaxos-Brüdern und der Zygomalas-Familie) und anderer Berichte der Stadt (beispielsweise die Beschreibung des französischen Gelehrten Pierre Gilles) sowie deutscher Literatur der Frühreformation. Visuelle Belege wie Darstellungen und Karten von Konstantinopel (beispielsweise in Hartmann Schedels Weltchronik) werden ebenfalls berücksichtigt. Die Informationen aus den Texten werden verwendet, um das damalige Aussehen der Monumente und ihre Rolle in der Physiognomie der Stadt zu rekonstruieren. Gleichzeitig werden in mitteleuropäische Städte importierte Handschriften aus Istanbul untersucht, da sie einen konkreten Beweis für die kulturelle Interaktion zwischen der deutschen und der postbyzantinischen Welt darstellen. Ihre Herkunft aus bestimmten Bibliotheken Konstantinopels kann die Bewegung ihrer Besitzer innerhalb der osmanischen Hauptstadt und von dort aus nach Westen aufzeigen (wie O. Ghislain de Busbecq in Wien und J. Hartung in Freiburg).

Das Ergebnis des Projekts wird ein aktualisiertes, durch deutsche Augen betrachtetes Bild (und eine Karte) des byzantinischen Erbes von Konstantinopel in seiner Erhaltung und Wandlung des 16. Jahrhunderts sein. Diese kombinierte Vorgehensweise wird neue Wege in der Erforschung der postbyzantinischen und frühosmanischen Welt eröffnen, indem Realitäten des 16. Jahrhunderts mit dem byzantinischen Hintergrund verknüpft werden und darüber hinaus das neuzeitliche Istanbul in den Kontext der internationalen, politischen und religiösen Szene gestellt wird. Das Projekt zielt darauf ab, den Fokus auf den religiösen Dialog und humanistische Aktivitäten zu stärken, indem veranschaulicht wird, wo genau die Ereignisse stattfanden, was die Besucher sahen und wie die byzantinische Vergangenheit den Kontakt zwischen Ost und West beeinflusste.

Inhaltlich knüpft das Projekt Annäherung an Byzanz im osmanischen Istanbul: Die Rezeption des byzantinischen Erbes von Konstantinopel durch Gelehrte aus dem Heiligen Römischen Reich im 16. Jahrhundert an Vorarbeiten aus diesem Vorhaben an.