Religion und Mobilität im hellenistischen und kaiserzeitlichen Kleinasien am Beispiel der Artemis von Ephesos

Dieses Projekt untersucht die literarischen und epigraphischen Quellen zum Phänomen auswärtiger Verehrer der Artemis von Ephesos und der Anziehung ihres Kultes auf einen größeren geographischen Raum, auch im Hinblick auf mögliche Parallelen zur frühchristlichen Johannesverehrung in Ephesos.

Das Heiligtum der Artemis in Ephesos war seit jeher eines der bedeutendsten Heiligtümer Kleinasiens. Der frühhellenistische Tempel zählte zu den sieben Weltwundern und war weit über die Grenzen der Stadt hinaus berühmt – ebenso wie die dort verehrte Artemis Ephesia.

Die Verehrung durch fremder Besucher, die ab dem 8. Jh. v. Chr. durch archäologische Funde belegt ist, kann für die archäologisch schlechter dokumentierte hellenistische und römische Zeit mithilfe der Schriftzeugnisse untersucht werden. Neben den literarischen Quellen sind das vor allem die über 5000 bislang bekannten Inschriften aus Ephesos.

Die möglichen Anlässe, aus denen Menschen aus anderen Städten das Heiligtum in Ephesos aufsuchten, waren vor allem die zu Ehren der Göttin abgehaltenen Spiele und die Mysterienfeiern. Beide Ereignisse sind vornehmlich in Inschriften dokumentiert, die Frage nach ihrer wirtschaftlichen Bedeutung, ihrem Publikum und Einzugsgebiet wurden aber bislang noch nicht eingehend behandelt.

Ein bei der ephesischen Artemis besonders augenscheinliches Symptom ihrer großen überregionalen  Anziehungskraft ist ihre Verehrung auch in anderen Städten, was neben einigen literarischen Quellen vor allem Weihinschriften, Statuetten und Abbildungen auf Münzen bezeugen. Diese Zeugnisse unterschiedlicher Quellengattungen sollen erstmals zusammengetragen und auf ihren Aussagewert hinsichtlich der geographischen und zeitlichen Ausdehnung der Popularität der Artemis Ephesia untersucht werden. Von besonderem Interesse ist die Frage, inwieweit diese Verehrung an anderen Orten in Verbindung mit dem Heiligtum von Ephesos stand.

Zuletzt muss auch das Heiligtum als Baukomplex im Blickpunkt der Untersuchung stehen. Neue geomagnetische Untersuchungen und die Auswertung alter Grabungsnotizen haben neue Erkenntnisse über den Baubestand in der Kaiserzeit gebracht, dessen Interpretation nun durch die Heranziehung der Schriftquellen versucht werden soll. Auch die dort gefundenen Inschriften, die einst mit dem Besucher in Dialog traten, können Aufschlüsse über das Publikum dieses Heiligtums geben.

Die Ergebnisse dieser Forschungen können einerseits durch Vergleich mit umliegenden Städten im Kontext religiös motivierter Mobilität in Hellenismus und Kaiserzeit interpretiert werden, andererseits drängt sich ein Vergleich zum archäologisch wieder besser fassbaren und untersuchten frühchristlichen Pilgertum in Ephesos auf, das sich vor allem auf den Apostel Johannes konzentrierte.